In thüringischen Sonneberg wurde vergangene Woche zur Impfung eine kostenlose Bratwurst im Brötchen gereicht, was zu einem regelrechten Ansturm auf die dortige Impfstelle führte. Das Internet machte sich stellenweise über die Menschen lustig, die sich durch einen scheinbar so nichtigen Anreiz zu einer so wichtigen Sache verleiten ließen. Auf Twitter verfasste Erik Flügge genau zu diesem Thema einen Thread, der Einblicke in das Leben von Familien unterhalb der Armutsgrenze gibt und erklärt, warum ein so einfacher Impfanreiz, wie eine Bratwurst, absolut Sinn macht.
Ärmere Menschen sind nicht immer dümmer als ihr, sie entscheiden nur anders.
Das müssen sie auch. Denn zum Beispiel heißt ihre erste Frage nicht, wieviel Kalorien haben Fritten, sondern: Was kosten die? 2/9
— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Die Kostenfrage erhöht massiv den Lebensaufwand. Man muss Angebote durchsehen, in mehrere Supermärkte fahren und viel in der Familie diskutieren, wer was haben darf – sehr viel. 3/9
— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Noch dazu muss man den Gewinn durch ein Angebot mit Wegkosten verrechnen. „Da verfahren wir 1,50€ Sprit!“ bzw. brauchen Bustickets.
Ja, das wird ernsthaft genau so besprochen! 4/9— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Armut verbraucht Zeit und Energie und bringt häufig weitere Probleme mit sich: Zum Beispiel unpraktische Arbeitszeiten, Gesundheitsprobleme etc. 5/9
— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Deshalb ist alles, was mehrere Probleme in einem Moment auf einmal löst, eine bestmögliche Option. 6/9
— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Man will sich impfen lassen, muss aber auch eigentlich mit hohem Zeitaufwand günstig einkaufen und zum Impfen muss man Bustickets kaufen. So geht die Kalkulation nicht auf. Die #Bratwurst-Idee ändert das. 7/9
— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Hier heißt die Rechnung: Bratwurst = gespartes Mittagessen + was Besonders für die Kinder + endlich auch geimpft = Hingehen.
Würde auch mit Fritten und kostenfreier Hüpfburg funktionieren. Muss nicht Wurst sein. 8/9
— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Bitte seid nicht so schnell mit einem Urteil über Menschen bei der Hand, die ihr nicht versteht.
Liebe Grüße von einem aus einer Familie, die phasenweise jeden Euro 3x umdrehen musste. 9/9
— Erik Flügge (@erik_fluegge) August 1, 2021
Nach einer derart plausiblen Erklärung fällt die Reaktion durchweg positiv aus.
Genau das. Mich nerven die arroganten Takes. Dazu kommt, dass es so eine vertrauten und soziale Atmosphäre hat, wie so ein Dorffest. Wenn dann noch Bekannte hingehen baut das Misstrauen ab. Misstrauen entsteht nicht aus Dummheit, sondern anderen Erfahrungen mit dem Staat.
— Natascha Strobl (@Natascha_Strobl) August 1, 2021
Ich verstehe auch nicht das Problem einer Impfprämie. Ja ich habe mich ohne Anreiz impfen lassen. Aber mir wird nichts weg genommen, wenn noch unentschlossene mit einem Anreiz zur Impfung überzeugt werden können.
— Kati (@KatiDieKleine) August 1, 2021
Andere fordern gar eine Fortführung des Gedanken.
Macht das impfen zum Event. Stellt Food Trucks mit einem "All you can eat" Angebot vor jedes Impfzentrum Gebt den Foodtruckern ordentlich Geld und seid nicht knauserig, wenn ein schon Geimpfter kommt.
Jeder Intensivpatient kostet pro Tag mehr als ein gutes Impfangebot.— uplumtree 🌈 (@uplumtree1) August 1, 2021
Hauptsache geimpft!
Es ist mir scheiß egal ob es die Bratwurst, Pommes, Donuts oder ein Gutschein ist, der die Leute zum Impfen bringt. Hauptsache geimpft. Mit scheint, manchen Leuten ist das nicht genug, sondern man muss sich auch mit der richtigen Geisteshaltung impfen lassen.
— Giliell 🔴 (@Giliell) August 1, 2021
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Vielen Dank an alle für die Posts.
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