Es wird immer wieder diskutiert, ob die Seenotrettung tatsächlich notwendig ist. Denn viele Europäer finden nicht, dass sie für das Leben von Menschen woanders Verantwortung tragen.
Viele fürchten auch, dass durch die Rettung nur weitere Flüchtlinge zum Aufbruch stimuliert werden (= strategische Ablehnung, s.u.).
Andere wiederum möchten unter keinen Umständen für den Tod der Flüchtenden verantwortlich sein – sei es aus Mitgefühl, Pflichtgefühl oder sogar Schuldgefühl (schließlich sei Europa an Fluchtursachen beteiligt).
Gerade jetzt, wo die Kapitänin Carola Rackete in Italien im Gefängnis sitzt, drängt sich die Frage, ob man sich bei all den verschiedenen Standpunkten jemals einigen kann, erneut auf. Rechtlich falsch, moralisch richtig? Ist das so schwarz und weiß? Höchste Zeit also, einmal durch Europas verschiedene Möglichkeiten und Ansichten zu reisen.
1. Diese Sichtweise vergleicht die Frage, ob Seenotrettung wichtig und richtig sei, mit den Rettungsmanövern für Europäer, die sich in Lebensgefahr begeben.
2. Allerdings stößt die implizierte, unterstellte Doppelmoral vielen auf.
moralische Erpressung erzeugt bei Vielen Trotz, Ablehnung und Verweigerung. Kann man versuchen, hilft aber vor allem den Salvinis und Orbans.
— Michael Reuss (@michaelreuss) June 30, 2019
3. Und Dinge, die verpflichtend sind, sind oft schwieriger durchzusetzen, als Freiwilligenarbeit. Überhaupt steht die Pflicht der Freiheit gegenüber, diese nicht wahrzunehmen.
*Rettung und dann Verschiffung nach Europa, obwohl Afrika näher dran ist.
Raucher kriegen hier keine Lunge, Alkoholiker keine Leber und die Schweizer Bergwacht war z.B. lange nicht verpflichtet, Leute aus der Eiger Nordwand zu retten.
— Lehramt (@Lehramt1) July 1, 2019
4. Nils Markwardt versteht diese ablehnende Haltung als Verdrehung der Wirklichkeit: Er setzt sich konkret mit dem Argument der „strategische Ablehnung“ der Seenotrettung auseinander. Diesen teilweise philosophischen Ausführungen…
im Netz massiv beschimpft und bedroht, ihre Arbeit kriminalisiert und sie (wie Carola Rackete) festgenommen werden; also mal abgesehen davon, dass die »Kritik« an der Rettung von Menschenleben vielfach offizielle Politik innerhalb des Friedensnobelpreisträgers EU ist; abgesehen
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) June 29, 2019
davon, dass diese Politik nicht nur den eigenen EU-Menschenrechtsstandards widerspricht, sondern auch jenem »kategorischen Imperativ«, auf den sich Europa in seiner Aufklärungstradition so gerne beruft; also von all dem abgesehen, heißt das geostrategische Gegenargument
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) June 29, 2019
dann oft: Seenotretter wären de facto »Schlepper«, weil Flüchtlinge und Migranten mittlerweile mit Ihnen rechneten. Würde man private Seenotrettung unterbinden, würden weniger die Flucht/Überfahrt wagen – dann würden auch weniger sterben. Mal abgesehen davon, dass das
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) June 29, 2019
schon deshalb nicht stimmt, weil zuletzt zwar immer weniger die Passage übers Mittelmeer wagten, der Anteil der Todesfälle jedoch stieg, wäre für die Debatte ja vielleicht mal folgendes hilfreich: jene, die hier »strategisch« gegen die Seenotrettung argumentieren, sollten doch
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) June 29, 2019
einfach mal gerade heraus sagen, wie viele Tote denn für die entsprechende strategische »Abschreckung« kommod wären? Sprich: Wie viele zusätzliche Tote – zu all denen, die es auch mit Seenotrettern gibt – wären dann okay? 100? 1000? 10000? Wenn das mal beantwortet würde, also
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) June 29, 2019
das »strategische« Argument gegen die Seenotrettung nicht fast immer die entscheidenden Fragen der Menschenrechte und praktischen Ethik umschiffen würde, hätten wir wenigstens eine ehrlichere Debatte.
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) June 29, 2019
das »strategische« Argument gegen die Seenotrettung nicht fast immer die entscheidenden Fragen der Menschenrechte und praktischen Ethik umschiffen würde, hätten wir wenigstens eine ehrlichere Debatte.
— Nils Markwardt (@FJ_Murau) June 29, 2019
5. … stellt Twitter-User Haekelschwein eine bildliche, einfache Wiedergabe des Problems mit der „strategischen Ablehnung“ gegenüber.
6. Tatsächlich müssen sich Ablehnende fragen, ob sie vor Ort nicht selbst eher die Hände zur Hilfe ausstrecken würden, als diese zu verweigern.
Kritik an gelebter Humanität ist Perversion pur
— Walter Schlotterbeck (@WalterSchlotte2) June 30, 2019
7. Nur, muss es im Anschluss so dramatisch und gesetzeswidrig sein?
Ja, es gibt bei Twitter Menschen mit widerlichen Positionen contra Seenotrettung. Aber Differenzierung wäre z.B. anzuerkennen, dass es auch solche Kritiker gibt, die Seenotrettung gutheißen, aber ein Verbringen nach Italien inkl. symbolischer Konfrontation suspekt finden.
— J. Wolfgang Schoop (@jwschoop) June 30, 2019
8. Der Glaube an die eigene Sache ist, was den Unterschied zu machen scheint. Und es ist unmöglich, allen gegeben Regeln gleichzeitig zu folgen (Christlichkeit, Menschenrechte, EU-Gesetze vs. Immigrationsgesetze).
9. Ist es wirklich sicher, dass die Menschen nicht freiwillig ertrinken?
Warum geht man davon aus dass wenn Seenotrettung nicht mehr nah an der libyschen Küste stattfindet, die Flüchtlinge nicht einfach bessere Boote benutzen werden, die sie dann näher an die Küste Italiens bringen würden?
— k (@kl60199572) June 29, 2019
10. Nun, die Menschen haben kein Geld. Daher kommt ja das Problem.
Bessere Boote, woher sollen die kommen?
— Jens Bruchmann 🕎☯️ (@BruchmannJens) June 30, 2019
11. Und Europa hat eben Geld.
12. Also kann das Geld ja schon mal her.
13. Nur, mit dem Geld ausschließlich die Symptome bekämpfen? Das macht wenig Sinn.
5. Ein Aspekt wird in der Debatte fast völlig ausgeblendet: Es sterben noch weit mehr Migranten auf dem Weg zur nordafrikanischen Küste in den Wüsten der Sahara als im Mittelmeer. Darum kann es in einer ehrlichen Debatte nicht nur um Seenotrettung gehen.
— Joachim Stamp (@JoachimStamp) June 30, 2019
14. Es gibt ja auch Platz. Also Geld und Platz.
6. Wir brauchen sichere Zonen nicht nur an den Küsten Nordafrikas, sondern auch in der Subsahara unter dem Dach von #UNHCR , von wo sich Migranten entweder aus humanitären Gründen oder als Arbeitskräfte für legale und sichere Einreise nach Europa bewerben können.
— Joachim Stamp (@JoachimStamp) June 30, 2019
15. Es müsste keiner in Angst und Schrecken leben.
7. Bei Folgekonferenzen zum #GlobalCompact4Migration müssen diese Zonen zügig vorangebracht werden. Um dem ethischen Dilemma zu entkommen, müssen die Migranten dann konsequent in diese sicheren Zonen gebracht werden, um ausschließlich von dort geordnet nach Europa zu kommen.
— Joachim Stamp (@JoachimStamp) June 30, 2019
16. Neue Gesetze sind möglich.
8. Die EU darf Italien, Spanien und Griechenland nicht weiter im Stich lassen. Es ist unerträglich, dass das Migrationsthema nicht andere Priorität genießt. Wir brauchen dringend eine Dublin-Folgeregelung, die diese Länder entlastet und geordnete Migration ermöglicht.
— Joachim Stamp (@JoachimStamp) June 30, 2019
17. Allerdings können sich EU Politiker seit Jahren absolut nicht einigen.
Im Grunde ist der Thread eine List bereits gescheiterter politischer Vorhaben:
– Operetion Sophia (gescheitert wegen Ital.)
– Europäische humanitäre Visa (gesch. an EU-Kommission)
– Zentren in Nordafrika (gesch. an Afr. Staaten)
– GCM (zahnloser Tiger)— Julian Pahlke (@J_Pahlke) July 1, 2019
18. Somit wäre ein weiterer Versuch, tatsächlich noch mehr eigene Polizei gegen die Schlepper ins Meer zu senden.
Mit einer umfassenden Präsenz der EU in den dortigen Gewässern kann sie gleichzeitig gegen Schlepper vorgehen. Wenn die EU diesen Weg durch eine reformierte #MissionSophia konsequent beschreiten würde, wären private Initiativen überflüssig und sollten dann auch unterbleiben.
— Joachim Stamp (@JoachimStamp) June 30, 2019
19. Das beantwortet aber immer noch nicht, was dann mit den Menschen passiert. Die Ertrinken derzeit und ein Teil der deutschen Bevölkerung möchte schlichtweg dafür nicht verantwortlich sein.
20. Also geben sie ihr Geld und verstoßen gegen das Gesetz – egal, wie der Rest das findet.