Das solltest du über „Whataboutism“ wissen

Es handelt sich bei diesem Thema zwar nicht um „Das Beste aus Social Media“, ist aber definitiv ein Social Media Phänomen. Ebenso wie die Wutbürger, wollten wir euch dieses brisante Thema nicht vorenthalten, sondern einmal an einem Fallbeispiel aufsplittern.
Vielleicht ist es mit Veranschaulichungsmaterial einfacher, den nazirelativierenden Verwandten klarzumachen, dass sie in eine Falle für die Demokratie laufen. Denn Dialog ist wichtig, damit wir uns als Gesellschaft nicht weiter voneinander trennen und am Ende die Autokratie nicht (erneut) gewinnt.

Also auf geht’s: Whataboutism ist, wie der Name im Englischen auch schon andeutet, eine Änderung des Gesprächsthemas. Dieses Gesprächsthema muss dabei eine Anschuldigung, Kritik oder ein ausgesprochener, eher negativ ausfallender, Sachverhalt sein. Um von diesem abzulenken kann der Whataboutism-Gesprächspartner auf drei Arten das Thema wechseln:
 
– An die Schuld von Dritten bei anderem völlig anderen Sachverhalt erinnern (Aber die Sklaverei!),
– an die Schuld des Gesprächspartners in einem völlig anderen Sachverhalt erinnern (Und du schließt nie die Zahnpastatube!)
– und/oder das Gegenüber inklusive oder exklusive externer Quellen bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit diskreditieren (Du weißt doch gar nicht, was du willst! Die war schon immer etwas anders im Kopf! Ja aber die Information haben sie doch sicher illegal erhalten!)
 

Ganz konkret wird diese rhetorische Taktik mit Propaganda in der Soviet-Union assoziiert. Wurde das System kritisiert, kam zum Beispiel ein Fehler der USA ins Gespräch, obwohl jener, wenn auch vielleicht diskussionswürdige Fehler, nichts mit dem Thema und der Kritik zu tun hatte. Zuletzt kann man eben jene Rhetorik auch bei Donald Trump beobachten. Auch ist Putin im Verlauf der Jahre der Technik wieder mündiger geworden.

Zuletzt sieht man es in Deutschland besonders gerne bei eben genannten Wutbürgern, vielen FakeAccount und Bots.
Dabei ist klar: Whataboutism ist kein Instrument spezifisch linker oder rechter Politik. Es ist eine Gesprächstaktik für Autokratiefans. Der Einsatz lässt Widerspruch verstummen.

 

1. Hier postet die AfD Freising Watch – also eine Seite, die die AfD beobachtet – diese Erkenntnisse zu Markus Schirling, einem bayrischen AfD-Politiker plus seinem näheren sozialen Umfeld.

 

2. Und zur Hintergrundinfo: Ja, das ist illegal. Daher hat dieser Post zur Anzeige geführt.

 

3. Und jetzt kommt die Veranschaulichung besagte Gesprächstechnik um die Argumente des Gegenüber zu diskreditieren. Denn: Was hat Angela Merkel damit zu tun, dass hier ein Politiker eine Straftat begeht?

 

4. Baloo kann die präsentierten Argumente für eine Straftat natürlich nicht widerlegen. Er kann aber weiterhin auf seinen Argumenten pochen, die bei unsicheren Lesern zu logischen Fehlschlüssen führen und vom Thema ablenken.

 

5. Allerdings spricht Baloo hier nicht vor einem unsicheren Publikum. Jedoch versucht er nun die Quelle der Information neben der Information ebenfalls zu diskreditieren. Erneut lenkt er so vom Thema ab und erwähnt dabei ironischerweise die Ostzone, in welcher seine Gesprächstaktik, wie oben erwähnt, sicherlich sehr verbreitet war.

 

6. Als nächstes schaltet sich ein weiterer User ein – mit einem weiteren typischen Merkmal der Whataboutism-Rhetorik: „Ihr seid Hypokraten“. Dieses Gesprächsmuster lässt sich auf individueller Ebene auch bei missbräuchlichen Partnerschaften wiederfinden. Zusammengefasst ist das Mantra „Du kannst es ja gar nicht besser wissen, weil du dumm bist.“ langfristig dafür verantwortlich, dass das Opfer den Bezug zu der eigenen Wahrnehmung verliert und dem Partner glaubt. Hier unterstellt Florian der Seite und Lesern, sie seien alle politisch links orientiert und blind.

Die Konsequenz: a. Spätestens an diesem Punkt erinnert sich keiner mehr an die eigentliche Straftat der AfD-Mitglieder. Diese ist egal welche politische Gesinnung für einen Politiker aus Respekt vor dem Rechtssystem, auf welcher Basis er Macht erhalten möchte, nicht tragbar.
b. Der ehemalig konservative oder politisch neutrale Bürger wird hier in eine Ecke geschoben, obwohl er dieser nicht angehört. Das kann ihm nicht gefallen und führt vermeintlich zu einer stärkeren Differenzierung gegen links und Rechtsruck – insbesondere bei denen, die diese Taktik nicht durchschauen (Seehofer).
 

7. Es heißt nicht umsonst so oft:

 
8. Dabei muss keiner der Beteiligten politisch auch nur im Ansatz „links“ sein, um auf der Seite der Demokratie und der Aufklärung zu stehen. Die hier verwendete Rhetorik und Unterstellungen heben das Links-Rechts-Spektrum der Demokratie auf. Gerade weil Boloo hier seine Meinung schreiben kann, ist es eine Demokratie. Gerade weil er anderen glauben machen möchte, es sei nicht so und nur seine Ansicht gelten lässt, fordert er Hörigkeit und Autokratie.

 

9. Das war im Prinzip das Phänomen „Whataboutism“, illustiert via einer täglich so gesehenen Facebook-Unterhaltung. Worum ging es eigentlich in dem Post der AfD Watch Freisingen? Vergessen! Müde und erschöpft geht mit diesen Dialogen langfristig die Diskussion über relevantere Themen abhanden. Das macht uns kapuut. Man sieht das dieser Tage sehr trefflich an der CSU. (What about: Islam! Kreuze! Hipster in Berlin!)

Quelle: Facebook AfD Freising Watch

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