Das Durchschnittsgehalt in Deutschland liegt bei ca. 3.000 Euro brutto im Monat. Als Alleinstehender zählt man mit einem Netto-Einkommen von etwas über 3.800 Euro pro Monat zu den reichsten sieben Prozent in diesem Land. Spitzenverdiener ist man ab einem Verdienst von 15.000 Euro monatlich. Vizekanzler, Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ist solch ein Spitzenverdiener. Bereits ohne Zuschläge verdient er mehr als 15.000 Euro monatlich.
Dennoch betrachtet sich Scholz nicht als reich. „Ich verdiene ganz gut, als reich würde ich mich nicht empfinden“, sagte er vergangenen Sonntag in einem Fernsehinterview. Diese Aussage sorgte allgemein für Unverständnis und bescherte ihm in den letzten Tagen einiges an Kritik.
Die Relativierung seines Reichtums würde zeigen, dass er ausgerechnet als Finanzminister kein Verständnis für die finanzielle Lage von weiten Teilen der Bevölkerung hätte, so die darauffolgenden Vorwürfe.
In einem Tweet äußerste sich Scholz nun selbst zu den Vorwürfen, bekräftigte aber nochmals, lediglich ein „Sehrgut-Verdiener“ zu sein.
Die Wogen konnte er mit seiner erneuten Aussage aber offensichtlich nicht glätten.
1) Interessant, wie mit dem „sehrgutverdiener“ immer noch das Wort „reich“ ausgeblendet wird!
2) Das war nicht der Punkt. Der Punkt war, dass Sie den DurchschnittsBürger_innen so fern sind, sie Augen nur nach oben richten, dass Sie nicht merkten, wie unpassend Ihre Antwort war.
— Gott* 🏳️🌈 (@GottesGetweete) October 6, 2020
2/2 … lassen sollten? Sie gehören zu den Konstrukteuren von Hartz IV, welches Millionen Menschen in die Armut und Abermillionen ins Soziale Abseits gestürzt haben. Bis heute!! Worauf sind Sie stolz? CUM-ex? Was haben Sie geleistet? Wohnungsnot? Altersarmut?
— The Joker (@ABAP_Object) October 6, 2020
Als Pflegefachfrau bin ich systemrelevant. Mein Job ist angesichts der Verantwortung scheiße bezahlt.
Vizekanzler sind übrigens nicht systemrelevant.
— AHA🦨🦨🦨 (@MaFriLidaheim) October 6, 2020
… Champagner und Kavierhäppchen mit ihren Geldgeber aus der Wirtschaft die Taschen voll machen. können.
Sie sind ein Heuchler und ihre ganze Partei ist eine schade für jeden echten Sozialdemokraten.— Sam Ronin (@ronin_sam) October 6, 2020
Scholz‘ Vorschlag, Spitzenverdiener höher zu besteuern – wovon auch er selbst betroffen wäre, wie er zu gibt -, löste daneben eine kleine Steuerdebatte aus, an der sich sogar Parteigenossin Saskia Essen beteiligte.
Oben mehr zu nehmen ist nicht die Lösung. "Unten" muss mehr bleiben. Darum muss die Progression abgeflacht und der Grundfreibetrag verdoppelt werden. Der Spitzensteuersatz muss in noch höhere Einkommen verlagert werden.
— Nein-Hörnchen (@RexUnicornis) October 6, 2020
„Unten“ kann man bei der Steuer nicht entlasten, weil im Niedriglohnsektor und weit darüber hinaus gar keine Einkommensteuer fällig wird. Höhere Einkommen helfen. Entlasten kann man zudem bei Gebühren und Abgaben, indem man die Leistungen (teilweise) durch Steuern finanziert.
— Saskia Esken (@EskenSaskia) October 6, 2020
Damit man "unten" mehr lassen kann, muss aber anderswo mehr genommen werden. Da bietet sich "oben" aus solidarischen Gründen am besten an. Und die Abflachung der Progression mit späterem Einsetzen (& moderater Erhöhung) des Spitzensteuersatzes ist genau das Steuerkonzept der SPD.
— Daniel Mandić (@DnlMndc) October 6, 2020
Eine Studie der Universität Hannover von 2016 kam übrigens zu dem Schluss, dass sich Topverdiener eher im Mittelfeld der Einkommensskala verorten. Reich seien demnach immer nur die anderen.
Würde man der Selbsteinschätzung der Reichen glauben, gäbe es gar keine Reichen. pic.twitter.com/TrdNFmzlxa
— Wandel (@DerWandel) October 7, 2020
Dass es Olaf Scholz nicht gelungen ist, die Diskussion über sein Selbstverständnis zu beschwichtigen, zeigt sich auch daran, dass sich die nach dem Fernsehinterview gemachten Kommentare kaum von den aktuellen unterscheiden.
Ehrlich gesagt ist das eine Problem dass der Minister nicht weiß, wie Einkommen/Vermögen in Deutschland verteilt sind und das andere, dass er offenbar keine Ahnung hat, mit wie wenig Geld große Teile der Bevölkerung zurecht kommen müssen während er FINANZPolitik für sie macht
— Arno Cao i.w.S. (@arnoxcao) October 5, 2020
…besser als ca 90% der restlichen Bevölkerung geht, dann wäre das zumindest schonmal ein Anfang…
Aber so wirkt das einfach angehoben…Nunja und so jemand kandidiert für eine Partei, die sich selbst „links“ nennt🤷♂️🤷♂️🤷♂️
— Christian (@k3k5d13b) October 5, 2020
Und genau diese Ansicht oder anders ausgedrückt: dieser Realitätsschwund führt dazu, dass null Empathie und null Verständnis gegenüber Menschen mit Mindestlohn oder knapp drüber oder gar in Armut besteht. Es ist abgehoben.
— Inge Hannemann (@IngeHannemann) October 5, 2020
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Vielen Dank an alle für die Posts.
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