Wenn über Corona gesprochen wird – egal ob in den Nachrichten oder in privaten Unterhaltungen -, geht es in erster Linie über neue Maßnahmen, politische Entscheidungen und all die Leugner. Über all die Mitarbeiter in den Krankenhäusern, Testzentren oder Gesundheitsämtern, die tagtäglich gegen die Pandemie kämpfen, sowie die Patienten, die erkranken und im schlimmsten Fall daran sterben, werden eher wenig Worte verloren. Insbesondere die Todesfälle sind oft nur eine Statistik. In einem sehr persönlichen, eindringlichen Thread hat ein Twitter-User, der seit mehreren Jahren selbst als Pflegekraft tätig ist, seine Gedanken über seinen Beruf, seine Kollegen und die Patienten in Anbetracht der aktuellen Situation niedergeschrieben und darauf eine überwältigende Resonanz erhalten.
Zunächst kommt er auf die Patienten zu sprechen und in was für einer Umgebung – isoliert von ihren Angehörigen – sie ausharren und manchmal ihre letzten Stunden verbringen müssen.
https://twitter.com/hospital_porter/status/1325480154303508482
Wir sind, wenn man es mit etwas Pathos sagen möchte, die letzte Instanz vor der Ewigkeit.
Und das stimmt wirklich.Covid-Patienten sind einsam.
Sie sehen wochenlang kein bekanntes Gesicht.
Sie sehen eigentlich gar kein Gesicht.
Sie sehen nur vermummte Menschen.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Sie sehen nur Augen.
Augen die durch Schutzbrillen gucken.Covid-Patienten sind einsam.
Und sie sterben einsam.
Das Letzte was sie in ihrem Leben sehen sind vermummte Menschen.
Und Augen die durch Schutzbrillen gucken.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Keine vertraute Stimme ist bei ihnen, kein vertrautes Gesicht, keine vertrauten Augen und Hände.
Kein Lächeln. Nur vermummte Gesichter. Fremde Augen.Covid-Patienten leiden.
Wir leiden mit ihnen.
Sie kämpfen.
Wir kämpfen mit ihnen.
Wir kämpfen um sie.
Um jedes einzelne Leben.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Neben dem seelischen Stress im Berufsalltag kommen nun auch noch all die Leugner hinzu.
Wir kämpfen einen Kampf, der keinen Sieger kennt.
Wir alle verlieren.
Unseren Verstand, unseren Beruf, unsere Gesundheit, vielleicht unser Leben.Ich bin müde.
Müde vom Anblick der Coronaleugner.
Müde vom Anhören irgendwelcher kruden Ideologien.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Müde vom ganzen Hass und der Häme.
Müde von einer Gesellschaft, in der einige wenige so laut sind, dass sie die große Masse der Vernünftigen, der Leisen, völlig übertönt.Ich bin müde.
Von Fake-News, verdrehten Fakten, Populismus und Verschwörungsphantasien.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Menschen wie bei den Querdenker-Demos in Berlin, in Leipzig und anderswo machen mich müde. So müde.
Wir kämpfen hier um jedes Leben. Nicht nur um das von Covid-19-Erkrankten.
Doch diese werden in den nächsten Wochen die Krankenhäuser dominieren.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Wir kämpfen, andere leugnen, relativieren, lügen.
Es ist ihre Welt. Ich lebe in meiner.
Und in meiner Welt möchte ich bald nicht mehr kämpfen.
Nicht für diese Menschen.
Nicht für diesen Teil der Gesellschaft.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Aber als ob die Corona-Krise nicht schon schlimm genug wäre, ist sie letztlich ein Brennglas, unter dem die eigentlichen Probleme noch stärker hervortreten.
Ich merke, wie ich mich so langsam innerlich von meinem Beruf verabschiede.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass sich Dinge ändern.
Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass mein Beruf noch etwas wert ist.
Er ist ramponiert. Absichtlich. Für Jahrzehnte. Vielleicht für immer.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Ich bin müde.
Wir sind müde.
Müde von den Demütigungen der Menschen. Ihren Vorurteilen. Ihrer Gehässigkeit.
Müde von der Politik.
Einer Politik der Phrasen, der Phantasien, der Schuldzuweisungen, der Verantwortungslosigkeiten.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Mein Beruf, die Pflege, stirbt.
Sie stirbt vor unseren Augen.
Wir schauen zu und machen nichts.
Die Politik schaut zu und macht #Ehrenpflegas.Ich bin einfach nur so müde.
Ich werde mich bald umdrehen.
Und ich werde gehen.
Gehen aus meinem Beruf.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Und es wird sich niemand dafür interessieren.
So wie es niemanden interessierte, dass viele tausend Menschen in den letzten Jahren diesen Beruf verlassen haben. Aus Frust. Aus Müdigkeit.
Man hat es nickend hingenommen.
Schweigend mit den Schultern gezuckt.— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Ich bin seit 18 Jahren Intensivpflegefachkraft.
18 Jahre und 1 Monat.
6612 Tage. Unzählige Minuten.Noch nie war ich so müde wie heute.#pflegenotstand#Pflege #coronavirus #pflexit
— Unrelevant_Systemrelevant (@hospital_porter) November 8, 2020
Viele waren von den offenen Worten sehr bewegt.
Das hat mich sehr berührt. Diese Worte höre ich täglich von meinem Mann,ebenfalls Intensivfachpfleger u hörte ich von meiner Tochter.Sie hat die Pflege vor einigen Monaten verlassen.Was ich dir wünsche?KRAFT,MUT,ZUVERSICHT für DEINE Zukunft,wofür Du Dich auch immer entscheidest
— Gabi (@Gabi35300634) November 8, 2020
Du sprichst mir aus der Seele. Ich erlebe es in der letzten Zeit so oft, dass ich vom Dienst komme und mich schlicht leer fühle. Weil die Löcher nicht mehr zu stopfen sind. Müde, müde trifft es sehr sehr gut.
— Venlafaxin (@duloxetin) November 8, 2020
Die Hochmotivierten, die wirklich richtig Guten, die, die unverzichtbar für Alle sind.
Die sind am Ende angekommen.
Am Ende der Geduld.
Der Kraft.
Der Energie sich dagegen zu stemmen.
Sie können sich nur selbst noch retten.Ein großer Verlust für uns. Alle.#Pflegenotstand
— Ulrike Fischer trägt Maske aus Solidarität 😷🏡 (@rike2363) November 8, 2020
Was kann jeder von uns für euch tun?
Warum gibt es nicht sowas wie den Solizuschlag für die Pflege?
Ich würde gerne von meinem Gehalt abgeben!
Ich habe euch schon so oft in meinem Leben gebraucht+werde euch noch öfter brauchen.Es tut mir leid, wie ihr hinten ansteht 🥺
— Anne, die dritte Variante (@AnneThropy) November 8, 2020
Danke dafür und danke dir für dein Engagement!💐 Ich weiß, das es dir nicht hilft…Ich bin selber Krankenschwester,habe 4 https://t.co/fkBTtjUqUw u.mein Mann ist OA auf ITS…es gibt noch viele,die mit dir diese Müdigkeit erleben u.du hast genau das in Worte gefasst! Danke!
— Whistleblower (@6monkeys13) November 8, 2020
—
Vielen Dank an @hospital_porter und allen anderen für die Posts.
—
Keine Influencer! Kein Foodporn! Nur ganz viel Spaß – bei uns auf Instagram: