In Sachen Toleranz gegenüber LGBTQI+ mag zwar schon viel erreicht worden sein, das heißt aber nicht, dass es nicht immer noch besser ginge. Nicht zuletzt im Arbeitsalltag kann sich das Coming-out als äußerst heikel und kompliziert darstellen – sogar in einem eher liberaleren Umfeld wie der Medienbranche. Die Funk-Journalistin Isabell Beer hat ihre Erfahrungen diesbezüglich in einem Thread niedergeschrieben.
Die erhoffte Toleranz, wenn sie offen mit ihrer Homosexualität umgehen würde, stellte sich entgegen ihrer Erwartungen nicht immer ein.
Als ich mit 18 auszog, wollte ich selbst entscheiden, wann und wie ich mich oute. Ich wollte es schnell hinter mich bringen und dachte: Flucht nach vorne, wenn du dazu stehst, kann dir keiner was. Damit lag ich falsch. (2/11)
— Isabell Beer (@isabell_beer) September 6, 2021
Meine Coming Outs zogen nicht immer, aber leider mehrfach Diskriminierung und Beleidigungen nach sich (wie "fette Lesbentonne"). Zweimal habe ich nach solchen Vorfällen Jobs aufgegeben und dadurch beschlossen, mich nicht mehr sofort zu outen. (3/11)
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Ähnlich wie schon in der Schulzeit wurde auch gegenüber den Kollegen lieber verheimlicht und abgewägt.
Ich habe mir eingeredet, dass meine sexuelle Orientierung ja egal sei und niemanden was anginge. Habe auf die Frage, ob ich einen Freund habe, einfach nur mit "nein" geantwortet. Doch ich habe mich dabei jedes Mal unfassbar scheiße gefühlt, mich selbst so zu verleugnen. (4/11)
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Wie damals in der Schule vor meinem Coming Out, als ich Angst hatte, jemand könnte es herausfinden. In Redaktionen habe ich über Wochen und Monate beobachtet und abgewägt, wem gegenüber ich es aussprechen kann. Geholfen haben mir die wenigen Kolleg:innen, die (5/11)
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…bereits geoutet waren und durch die ich besser abschätzen konnte, was es für mich bedeutet. Ich war gefangen in ständigen Abwägungsprozessen, was ich von mir erzähle und wem. Dennoch redete ich mir ein, es sei meine Privatsache. (6/11)
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Das Coming-out sei insofern keine reine Privatsache, weil es in der Verantwortung der Gesellschaft im Allgemeinen und des Arbeitgebers im Speziellen liege, ein entsprechend tolerantes Umfeld zu ermöglichen.
Wenn ich es dann doch ausgesprochen habe, war da immer diese innere Unruhe und die Sorge vor den Folgen. Erst seit ich in einem Team arbeite, in dem wir viel über Diskriminierung und Diversität sprechen, verstehe ich, dass es nie meine Privatsache war. (7/11)
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Redaktionen tragen eine Verantwortung, dass sich jede:r dort wohlfühlt. Die Rufe nach Diversität bringen nichts, wenn man nicht bereit ist, Kolleg:innen zu sensibilisieren + eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der jede:r merkt, dass es okay ist, queer, trans, etc. zu sein.(8/11)
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Solange Menschen Angst haben, sich zu outen, ist es ein gesellschaftliches Problem, kein privates. Als Jugendliche kannte ich in meinem Umfeld keinen geouteten Erwachsenen. Ich hatte keine queeren Vorbilder, habe mir aber welche gewünscht und hätte sie dringend gebraucht. (9/11)
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Viele tun sich verständlicherweise immer noch schwer mit einem Coming-out, aber Isabell Beer ruft dazu auf, nicht länger unsichtbar zu bleiben.
Später habe ich erfahren, dass es diese Menschen gab, sie hatten nur Angst, sich zu outen. Das kann ich nur zu gut verstehen. Mein erstes Coming Out ist jetzt zehn Jahre her und ich will das nicht mehr. Ich möchte als #LGBTQIA+-Person nicht unsichtbar sein. (10/11)
— Isabell Beer (@isabell_beer) September 6, 2021
Dieses Jahr habe ich zum ersten Mal mit zitternden Fingern getwittert, dass ich lesbisch bin und meine Bio geupdatet.
An die Menschen, die in Redaktionen durch ähnliche Struggles gehen: Meldet euch gerne.
Ihr seid nicht allein. Viele von uns sind nur nicht sichtbar. (11/11)— Isabell Beer (@isabell_beer) September 6, 2021
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Vielen Dank für die Posts!
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