Weder Fußball, noch Corona: Wer hätte gedacht, dass das Land der Dichter und Denker von einer Grammatik-Debatte erfasst wird? So geschehen aufgrund eines Gesetzentwurfs von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD), der komplett in der weiblichen Begriffsform formuliert wurde. Anstelle des üblichen generischen Maskulinums – Schuldner, Gläubiger usw. – wurde das generische Femininum – Schuldnerin, Gläubigerin usw. – angewendet. Das Innenministerium lehnte den Entwurf deswegen ab, was nun zahlreiche Kritiker auf den Plan rief.
Kritiker fordern im Sinne der Gleichberechtigung, die weiblichen Begriffsformen im Sprachgebrauch zu fördern, damit die Sichtbarkeit von Frauen gefördert wird. Das Gegenargument lautet, dass das generische Maskulin zwar grammatikalisch maskulin, in seiner Bedeutung aber geschlechtsneutral ist und somit männliche, weibliche und nicht-binäre Personen von Vornherein mit einschließt. Leider wird dieser eher neutrale, sprachwissenschaftliche Standpunkt auch gerne von Leuten angeführt, die gesellschaftlichen wie sprachlichen Wandel gleichermaßen ablehnen.
Die Begründung des Innenministeriums ist unglücklich und könnte im Umkehrschluss auch gegen das generische Maskulinum sprechen.
https://twitter.com/Dok_Wu/status/1315699716575948801
https://twitter.com/ohhellokathrina/status/1315942990897180672
Doch der Punkt scheint vielmehr, dass ein generisches Femininum für Gesetzestexte schlicht nicht vorgesehen ist – zumindest bis jetzt nicht.
Mit der Begründung "verfassungswiedrig" und "gelte dann nur für Frauen" hat man sich ein bisschen selbst ins Knie geschossen. Das hätte man sinnvoller begründen können und auch müssen.
Ich halte das generische Femininum auch nicht für den besten Weg Frauen zu inkludieren. (2/3)
— Mario Caraggiu 🧬🎃 (@MCaraggiu) October 13, 2020
Eine Exklusion einer bestimmten Gruppe (auch der Mehrheit; auch wenn man vorher massiv bevorteilt war) ist kein guter Weg eine andere Gruppe zu inkludieren. (3/3)
Ich bin auf eurer Seite, aber lasst uns einen besseren Weg finden. Wir können das. Ihr könnt das.
— Mario Caraggiu 🧬🎃 (@MCaraggiu) October 13, 2020
Viele kritisieren den Gebrauch des generischen Maskulinums als Ausdruck des Patriarchats.
Weiß nicht, wie es euch geht, aber dass das Innenministerium so wie Gerichte auch davon ausgeht, dass beim generischen Maskulinum hingegen Frauen immer mitgemeint sind, finde ich echt ätzend. Und Fakt ist: Diese patriarchale Gesellschaft würde das umgekehrt nie akzeptieren.
— Dr. Wu (@Dok_Wu) October 12, 2020
https://twitter.com/Nilzenburger/status/1315665395068678144
Wenn die Müller aus der Buchhaltung nach Heirat jetzt Schmitz heißt, haben das alle nach wenigen Tagen drauf. Aber wenn der Buchhalter an sich womöglich in Zukunft die Buchhalterin sein könnte, ist das Geheule der fragilen Männlichkeit groß.
— Boris N. Moellers (@BorisNMoellers) October 12, 2020
Und tatsächlich dreht sich die Debatte wohl weniger um Grammatik als vielmehr um Gleichberechtigung.
Frau Lambrecht hat quasi mit einem Federstrich das Matriarchat eingeführt. Männer schreien, dass das Zurückschlagen mit gleichen Waffen kein probates Mittel sei. Kleine jungs tragen jetzt rosa, Vögel fallen vom Dach. Wir sind verloren.
— Südstadt (@Etjittkeenwood) October 12, 2020
Gesellschaftlicher Wandel soll sich auch in einem sprachlichen Wandel niederschlagen.
Das häufig verwendete Wort „mitgemeint“ ist hier bezeichnend – Männer sind gemeint, Frauen eben nur mitgemeint. Es geht also nicht um „sprachwissenschaftliche“ Anerkennung, sondern um gesellschaftliche: Wollen wir, wie das Innenministerium, in einer Welt leben, 15/
— Anatol Stefanowitsch (@astefanowitsch) October 13, 2020
… in der Frauen (und andere) eine Art gedanklicher Nachtrag zu Männern sind? Dann ist das „generische Maskulinum“ genau die richtige Form. Oder wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der alle Menschen gleichermaßen „gemeint“ sind? Dann haben wir leider ein Problem, … 16/
— Anatol Stefanowitsch (@astefanowitsch) October 13, 2020
… denn der traditionelle Sprachgebrauch erlaubt das nicht ohne Weiteres. Er muss deshalb verändert werden. Man kann versuchen, das zu verhindern, indem man patriarchale Traditionen zu sprachwissenschaftlichen Fakten umdeklariert, aber dann hat man halt Unrecht. 17/
— Anatol Stefanowitsch (@astefanowitsch) October 13, 2020
Ob zum Beispiel im Englischen, dass nur „the“ kennt, auch solch eine Debatte möglich wäre?
https://twitter.com/BroschCyril/status/1315746325162602497
Und hört mit dem bekloppten "mItGeMeInT" auf 🙄
Eine generische Form ist nicht markiert, bezeichnet also alle Geschlechter gleich. Zur Form für Männer wird die Form ohne -in nur im Kontrast zu -in und aus Mangel an einem männlichen Suffix – das wir einführen könnten (-(r)ich)
— Cyril Robert (@BroschCyril) October 12, 2020
Sprache war schon immer im Wandel und hat sich dabei auch immer wieder dem Zeitgeist angepasst.
Es einfach sein lassen. Menschen haben den generischen Maskulinus Jahrhunderte lang verstanden. Ich brauche kein * oder sonst was, um mich angesprochen zu fühlen, denn ich bin nicht blöd und verstehe, dass die maskuline Form auch neutral gemeint ist.
— Jovahkiin 🇩🇪🇺🇲 (@monahven) October 12, 2020
Tatsächlich wurde das generische Maskulinum noch im 20. Jahrhund. dazu genutzt, um Frauen vor Gericht explizit ausschließen zu können. Bsp Einer promovierten Juristin wurde mit der Begründung (es sei eben nur die maskulin Form) die Zulassung als Anwaltin verweigert.
— Buchschwinge (@Kaktusballerina) October 12, 2020
Es ist ein Wechselspiel: Sprache beeinflusst, wie wir denken und die Welt begreifen, sie ist aber auch ein Ausdruck dessen.
Meine Frau ist Ärztin. Im Krankenhaus wird oft ein Arzt verlangt,sie kommt,wird aber als Pflegerin wahrgenommen.
Sprache definiert die Erwartungen.Neutrale Begriffe (Studierende) sind möglich.
Generisches Maskulinum funktioniert nicht. Wir schaffen keine neutrale Interpretation.— max Kresse (@KresseMax) October 12, 2020
https://twitter.com/AnotherSherpa/status/1315926726355177472
Daher funktioniert das generische Maskulinum in der Praxis nicht. Es fühlen sich – wissenschaftlich belegt – NICHT alle mitgemeint.
Also lasst uns doch alle gemeinsam im 21. Jahrhundert ankommen und nicht mehr diese muffige Diskussion führen.#Lambrecht
— Marlene Sherpa (@AnotherSherpa) October 13, 2020
Aber muss es zwingend auf Entweder-oder hinauslaufen?
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Vielen Dank an alle für die Posts.
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