Nachdem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am gestrigen Sonntag ein Bild von der Lage in den betroffenen Hochwassergebieten gemacht hatte, nannte sie die Situation „surreal“ und „gespenstisch“. „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die angerichtet ist“, sagte sie. Dass Wut, Trauer und Bestürzung vorherrschen und die Prioritäten auf den Aufräumarbeiten und der Suche nach Vermissten liegt, steht außer Zweifel. Gleichzeitig darf und muss man aber auch die Frage nach Verantwortung und den Lehren daraus stellen. Nicht wenige sehen diesbezüglich klare politisches Verfehlungen und sprechen von einem „monumentalen Systemversagen“.
Weil es bisher eher wenig thematisiert wurde, macht Twitter-User @deichgenosse darauf aufmerksam, dass das europäische Hochwasserwarnsystem EFAS bereits Tage zuvor Warnungen aussprach.
Das europäische Hochwasserwarnsystem "Efas" hat die Behörden in NRW bereits SIEBEN TAGE vor der Flutkatastrophe erstmals vor einer wahrscheinlichen Flut gewarnt. Und die Warnungen TÄGLICH präzisiert.
24 Stunden vor der Katastrophe mit einer Trefferquote von ca. 90 Prozent.
— Ich, der Frühling. (@deichgenosse) July 18, 2021
Diese wurden offensichtlich nicht ernst genommen, da im Vorfeld keinerlei Präventionsmaßnahmen ergriffen wurden.
Statt IRGENDWELCHE Maßnahmen zu ergreifen, ist der Ministerpräsident von NRW nach Baden-Württemberg gereist. Wahlkampftermine.
— Ich, der Frühling. (@deichgenosse) July 18, 2021
Der zuständige Innenminster hat, während die ersten Landkreise Katastrophenalarm ausgelöst haben, die ersten Dämme brachen und die Menschen zu Dutzenden ersoffen sind, von "Einzelereignissen" gefaselt.
Obwohl ihm die Warnungen zur Kenntnis gegeben wurden. Eine. Woche. Im. Voraus.— Ich, der Frühling. (@deichgenosse) July 18, 2021
Die britische Sunday Times berichtete gestern darüber. Laut Artikel sagten die Experten eine „extreme Flut“ entlang der Flüße Erft und Ahr voraus und sprechen nun von einem „monumentalen Systemversagen“.
Glauben Sie nicht, hm. So was kann doch nicht einfach so durchgehen. So jemand müsste doch zurücktreten. Oder zumindest so etwas wie Scham empfinden, statt feixend herumzualbern, wenn der Bundespräsident kondoliert.
Ich finde es ja auch ein bisschen unglaublich.
— Ich, der Frühling. (@deichgenosse) July 18, 2021
Aber glauben Sie es halt nicht mir. Glauben Sie es meinetwegen der fucking "Times".https://t.co/EJvYCrJMw1
— Ich, der Frühling. (@deichgenosse) July 18, 2021
User @narkosedoc geht weiter ins Detail.
https://twitter.com/narkosedoc/status/1416864861175304193
Am 10.7. (Samstag) ging also eine Hochwasserwarnung der Stufe "Extrem" des EFAS heraus.
Dies bedeutet nicht "ein bißchen mehr Regen" sondern eine Ereignis katastrophalen Ausmaß wie man es etwa alle 20 Jahre erwartet.
Quelle: https://t.co/kpRqFvN6eK pic.twitter.com/FUAKxQjaeq— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
Am 12.7. (Montag) zeigte sich, dass die Prognosen real werden. Es gab mehrere Kat-Warnungen auch über die NINA-App. Weiterhin keine Reaktion der Landesregierung NRW – es "schien ja die Sonne".
Am 13.7. (Dienstagabend) erfolgte ein Voralarm an die freiwillige Feuerwehr.— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
Die Rettungskräfte hätten sich darauf vorbereiten können.
Die Wachen wurden besetzt, man rechnete mit einem erhöhten Aufkommen von Notrufen.
In der Nacht auf den 14.7. wurden die ersten Komponenten des Katastrophenschutz aktiviert und nach Hagen entsandt. Spätestens jetzt war allen klar – das ist ein großes Ding.— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
Der Rettungsdienst und die Hilfsorganisationen begannen sich selbst zu organisieren, rannten jetzt aber schon der Lage hinterher. Und wenn Einsatzkräfte eins hassen, dann einer Lage hinterher zu rennen.
Mit genug Vorbereitungszeit hätte man Ortschaften evakuieren…— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
… und provisorisch sichern können.
Statt geordneter Vorbereitungen (planmäßige Evakuierung gefährderter Gebäude wie Krankenhäuser etc.) entwickelten sich so dramatische Szenen, gefährliche und personal- und materialaufwändige Rettungsmaßnahmen wurden nötig.— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
Ein Krisenstab wurde nicht einberufen, weil dieser als „nicht erforderlich“ erachtet wurde. Die Vorwürfe gelten nicht nur für die nordrhein-westfälischen Behörden, sondern in ähnlicher Weise auch für die rheinland-pfälzischen.
EFAS erstellt aber nicht nur Hochwasserwarnungen sondern auch Niederschlags-Abfluss-Modelle (genannt LISFLOOD) – es wurde klar, es kommt richtig viel Wasser und es wird unkontrolliert abfließen.
An dieser Stelle hätte man den Krisenstab NRW aktivieren müssen.— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
Es gibt bis heute keine Erklärung für dieses Führungsversagen.
Wie viele Menschen würden heute noch leben, wenn man die Warnungen ernst genommen hätte?
Wenn die Kräfte vor die Lage gekommen wären?
Wenn wir agiert und nicht nur reagiert hätten?— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
Aber dann hätte man sich eingestehen müssen, dass es nicht nur Regen, sondern eine #Klimakatastrophe ist, die da im Braunkohle-Land NRW stattfindet.
Unbequeme Fragen wären die Folge und mit unbequemen Fragen hat es Laschet nicht so.
Konnte ja keiner ahnen, es schien ja die Sonne.— Intensivdoc (@narkosedoc) July 18, 2021
Passend dazu ein geradezu bezeichneter Zusammenschnitt: Während der Wetterbericht ebenfalls vor Überflutungen warnte, wunderte sich Laschet ein paar Tage später, dass doch zunächst noch die Sonne schien …
Darüber hinaus erinnert @deichgenosse in einem anderen Thread daran, dass die Regierung Laschet erst 2019 die Soforthilfe für Katastrophenopfer abgeschafft hat.
Armin Laschet weiß, dass der Klimawandel Verursacher der Katastrophe ist.
Aber Armin Laschet hat die "Soforthilfe" seines Landes 2019 so umgebaut, dass statt allen nur noch Vermögende und große Unternehmen davon profitieren.
Wer glaubt, dass das ein Versehen ist, ist ein Narr.
— Ich, der Frühling. (@deichgenosse) July 18, 2021
Falls ihr euch fragt, warum Laschet und sein Innenministerlein alles tun, um die Katastrophe kleinzureden und auf die lokalen Behörden abzuwälzen, anstatt die Verantwortung des Landes wahrzunehmen:
Damit. Es. Keiner. Merkt.
— Ich, der Frühling. (@deichgenosse) July 18, 2021
Und natürlich rückt das Thema Klimawandel wieder in den Fokus. Im gestrigen Presseclub erklärte Wettermoderator Sven Plöger einmal mehr, wie der Klimawandel die Häufigkeit und Ausmaße solcher Wetterphänomene beeinflusst.
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Vielen Dank an alle für die Posts.
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