Prof. Dr. Sandra Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt sowie Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität. Sie ist maßgeblich an der Erforschung von SARS-CoV-2 beteiligt und konnte mit ihrem Team nachweisen, dass auch Personen, die keine Symptome zeigen, Überträger des Virus sein können. Im Wechsel mit Christian Drosten spricht sie im NDR-Podcast über die aktuelle Corona-Lage.
Obwohl sie ihrem Kollegen also in nichts nachsteht, ist Frau Ciesek in der Öffentlichkeit eher weniger bekannt und präsent als Herr Drosten. Ein kürzlich veröffentlichtes Spiegel-Interview hätte hierbei Abhilfe verschaffen können und sollen, geriet aufgrund seiner chauvinistisch angehauchten Fragen allerdings in die Kritik.
Dass das Interview von Frauen geführt wurde, schien das Ganze nicht besser zu machen.
Hätte man einem Mann auch solche Fragen gestellt?
https://twitter.com/teresabuecker/status/1317728085643493376
Die Journalistin Corinna Milborn hat das Interview in einem ausführlichen Thread analysiert. Ein Auszug.
Das Interview ist exemplarisch dafür, wie Frauen behandelt werden, wenn sie Raum in der Öffentlichkeit einnehmen – also einfach sichtbar DA SIND. Daher ein kurzer Thread dazu, was der Spiegel hier macht:
— Corinna Milborn (@corinnamilborn) October 18, 2020
Die 1. Frage ist aber keine fachliche, sondern betont, dass Ciesek nicht wegen ihrer Qualifikation da sei, sondern wegen QUOTE. Aber sie stoppt da nicht – der Spiegel fragt, ob ihr BEWUSST sei, dass sie da gar nicht hingehört. "Ist Ihnen bewusst, dass Sie die Quotenfrau sind?"
— Corinna Milborn (@corinnamilborn) October 18, 2020
zweite Frage: Der Interviewer stellt Drosden und Ciesek gegenüber. Der eine POPSTAR und BUNDESVERDIENSTKREUZ – die andere DIE NEUE AN SEINER SEITE. Message ist nicht nur "Du bist nichts" sondern auch: Frauen sind an der Öffentlichkeit nur als Beiwerk für Männer denkbar.
— Corinna Milborn (@corinnamilborn) October 18, 2020
Dritte Frage unterstellt, Cieske klinge nach "Volkshochschule". Das ist eine Abwertung zum Wort "Universität" und evoziert den Frauenberuf "Volksschule" – etwas für Kinder. Und fragt: "Wollen Sie es in Zukunft spannender machen?"
— Corinna Milborn (@corinnamilborn) October 18, 2020
Dann folgen zwei Fragen dazu, wie sie mit Angriffen umgeht, und auf Ihre Antwort die Bemerkung: "Drosden schreibt dann gerne mal eine freche Antwort." Das transporiert ein weiteres Bild: Frauen könnten nicht kämpfen und seien daher ungeeignet für Macht und Öffentlichkeit.
— Corinna Milborn (@corinnamilborn) October 18, 2020
In der sechsten Frage wird Cieske gefragt, wie sie sich zwischen Drosden und Streeck einordnet. Bild: Männer sind die Referenzpunkte, die Frau richten sich nach ihnen aus, ihre Standpunkt kann nur in Bezug zu Männern beschrieben werden.
— Corinna Milborn (@corinnamilborn) October 18, 2020
Sandra Ciesek selbst zeigte sich sowohl von den Fragen als auch von den jetzigen Reaktionen überrascht.
Dass das Interview über die Pandemie und wissenschaftliche Arbeit informiert, wäre ihr vermutlich lieber gewesen, als dass es eine Diskussion über Frauenbilder auslöst.
Als Prodekanin für wiss. Nachwuchs und Diversität halte ich Gender-Diskussionen für richtig und wichtig. Ich wollte mit dem Interview eigentlich fachlich (virologisch) zum Thema SARS-CoV-2 Pandemie und Aufklärung beitragen. Es gibt viel zu tun!
— Sandra Ciesek (@CiesekSandra) October 17, 2020
Auch der Spiegel und eine der Reporterinnen äußerten sich, ernteten aber nur wenig Verständnis.
Dazu kam folgende Rückmeldung einer der Interviewerinnen – ein erschütterndes Maß an mangelnder Reflektionsfähigkeit & angemessener Selbstkritik: pic.twitter.com/QbjuCFDnMl
— Nadia Zaboura, votiert für Wissenschaft (@nadia_z) October 18, 2020
Alles in allem wurde dem Spiegel für dieses Interview ein Armutszeugnis ausgesprochen.
Ich bin fassungslos, dass jemand mit einer Habilitation und Leitung einer Virologie solche Fragen beantworten muss. Das ist mehr als peinlich, sondern ein Skandal. Niemals wäre ein Mann diese Dinge gefragt worden… Niveaulos und peinlich!
— Ygritte (@jgYgritte) October 17, 2020
Was sich der @derspiegel mit diesem respektlosen Interview mit Frau Professorin Ciesek geleistet hat, ist schlicht schlechter Journalismus.
— Thomas Knorra #FightEveryCrisis 😷 (@ThomasKnorra) October 17, 2020
— Sandra Ciesek (@CiesekSandra) October 16, 2020
Die Fragen sind eine Frechheit.
Einfach respektlos!#DerApotheker 🥷— #DerApotheker (@ApothekerDer) October 17, 2020
Ja und dann ist man die Zicke
— Sandra Ciesek (@CiesekSandra) October 17, 2020
—
Vielen Dank an alle für die Posts.
—
Keine Influencer! Kein Foodporn! Nur ganz viel Spaß – bei uns auf Instagram: