Gestern hat das Bundeskabinett eine Gesetzesvorlage zur Urheberrechtsreform beschlossen. Damit soll die EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Bis spätesten 7. Juni 2021 muss der Bundestag darüber abstimmen und das neue Urheberrecht ratifizieren. Bereits 2019 wurde gegen die EU-Pläne demonstriert – im Fokus standen damals CDU-Politiker Axel Voss sowie der sogenannte Artikel 17, der ursprünglich mal Artikel 13 hieß. Und auch nach dem gestrigen Beschluss hagelt es nun Kritik von allen Seiten: Internetplattformen wie Google und YouTube fürchten, zur Verantwortung gezogen und zur Kasse gebeten zu werden; Rechteinhaber wie Autoren und Musiker fürchten, nicht ausreichend entschädigt zu werden und Internetnutzer fürchten eine Zensur durch Uploadfilter. Insbesondere die Upoadfilter stoßen auf heftigen Widerstand.
So wurde vonseiten der Politik beteuert, dass Uploadfilter nicht eingeführt werden. Doch dank Julia Reda, EU-Abgeordnete und schärfste Kritikerin der Urheberrechtsreform, machte nun ein Tweet die Runde, der zeigt, dass die CDU von ihren vorherigen Zusagen heute wohl nicht mehr viel hält.
Etwas später ruderte die Partei zurück.
Update: Die @CDU hat nach kurzer Rücksprache mit ihrer Streisand-PR-Beratung den Artikel wieder online gestellt und schiebt die Schuld am #Uploadfilter jetzt auf die SPD. Das ist… kreativ. https://t.co/IAbkrlpxw3 #Artikel17 pic.twitter.com/nWuSpIn2gC
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
Das regt mich echt auf. Wenn die @CDU sich die ganze Zeit gegen #Uploadfilter engagiert hätte, warum ist dann der Regierungsentwurf so viel schlechter als der Diskussionsentwurf vom letzten Sommer, den die SPD (Justizministerium) allein verfasst hat? https://t.co/wzbxTCnOkn
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
Auch Rezo äußerte seine Kritik.
Nein. Ich muss nicht deinen Inhalt, in dem du mich zitierst, aktiv sperren lassen. Das ist ja gerade der Punkt.
Sobald ich Uploadfilter automatisch mit meinen Inhalten fülle (dafür sind sie da) werden sie das automatisch blocken (dafür sind sie da). Egal, ob es legal war.
— Rezo (@rezomusik) February 3, 2021
Ohne Updloadfilter sind Internetplattformen wie YouTube vermutlich nicht in der Lage, die Masse an hochgeladenen Inhalten daraufhin zu überprüfen, ob diese dem neuen Urheberrecht entsprechen oder nicht. Aber warum Uploadfilter gerade aus Sicht der Internetnutzer problematisch sind und wo die Schwächen der Reform selber liegen, erklärt Julia Reda in diesem Thread.
Um Sperrung legaler Inhalte zu verhindern, will die #GroKo kurze Ausschnitte nicht mehr legalisieren, diese gelten nur als „mutmaßlich erlaubt“, dürfen also nicht automatisch gesperrt werden. Die Grenzwerte wurden abgesenkt auf 15s Video/Audio, 125kb Bilder und 160 Zeichen Text.
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
Aber auch Nutzungen unter diesen Grenzen sind nicht automatisch vor dem #Uploadfilter geschützt, das gilt nur, wenn die Nutzung keine erheblichen Einnahmen generiert, man den fremden Inhalt mit anderen Inhalten kombiniert und nicht mehr als 50% eines fremden Werks nutzt.
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
Ein durchschnittliches Videozitat kriegt man in 15 Sekunden unter, aber 160 Zeichen Text sind völlig weltfremd. Selbst der volle Name der EU-Urheberrechtsrichtlinie ist 220 Zeichen lang, ein Tweet 280 Zeichen. #Uploadfilter drohen also regelmäßig legale Texte zu sperren.
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
Statt der Grenzwerte kann man Inhalte auch als legale Nutzung kennzeichnen (Parodie, Zitat etc.), aber auch dann darf die Nutzung nicht mehr als 50% eines fremden Werks enthalten. „Vertrauenswürdige“ Rechteinhaber können Sperrungen auch mutmaßlich legaler Nutzungen erzwingen.
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
Der neue Entwurf sägt auch an der Legalisierung von Karikatur, Parodie und Pastiche, die wir uns in Protesten auf der Straße erkämpft haben. Die sollen nur legal sein, "sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist".
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
Das sorgt für krasse Rechtsunsicherheit. Wie soll ich beurteilen, wieviel fremder Inhalt in einer Parodie "gerechtfertigt" ist? Ich halte das für europarechtswidrig, in #Artikel17 steht, Parodien sind erlaubt, Punkt. Wenn wir das Recht befolgen sollen, muss es verständlich sein.
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
So mancher hat wenig Vertrauen in diese Technik.
Viele sind sich sicher, dass sich die CDU damit vor allem bei jungen Wählern wenig beliebt gemacht hat.
Bis zu #Bundestagswahl nicht vergessen wer das #Internet Kaputtgemacht hat#NieMehrCDU #niemehrcsu pic.twitter.com/JeUjYht2gG
— Carlos (@Loco_Soulja) February 3, 2021
Während die Urheberrechtsreform in Deutschland vermutlich nur noch Formsache ist, ist es ausgerechnet das wegen seiner mangelnden Rechtsstaatlichkeit in die Kritik geratene Polen, das das ganze Vorhaben auf EU-Ebene noch kippen könnte.
Erstmal muss jetzt der Bundestag über den Vorschlag abstimmen. Falls er zustimmt, wird es Gesetz. Wenn Polens Klage vor dem EuGH danach Erfolg hat, muss das Gesetz wieder abgeschafft werden.
— Julia Reda (@Senficon) February 3, 2021
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Vielen Dank an alle für die Posts.
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