Die Corona-Pandemie ist eigentlich schon Grund genug, um zu behaupten, dass wir in seltsamen Zeiten leben. Nur leider wird dieser Eindruck noch verstärkt durch all die Verschwörungstheoretiker, Rechten und anderen unzufriedenen Zeitgenossen, die krakeelen, wir würden in einer Diktatur leben und man dürfte nicht mehr alles sagen. Dabei machen sie mit dieser Meinung genau von der Meinungsfreiheit Gebrauch, die es angeblich nicht mehr gibt. Wie gut es aber aktuell um die Meinungsfreiheit hierzulande bestellt ist, darüber hat sich der Schriftsteller und Journalist Till Raether in einem Twitter-Thread geäußert.
Demnach seien die Möglichkeiten, seine Meinung frei äußern zu können, noch nie so vielfältig gewesen wie derzeit.
https://twitter.com/TillRaether/status/1302904559921233922
In meinem Leben hat es noch nie so eine Vielfalt von Stimmen, so wenig "Denkverbote", so viele Kanäle, so viele Informationsquellen, so wenig Gängelung und so wenige Einschränkungen gegeben wie heute. (2/6)
— Till Ra͙e͙t͙h͙er (@TillRaether) September 7, 2020
Auch dürfte Kritik an einer bestimmten Meinung nicht mit dem Verbot derselbigen verwechselt werden.
Das Gerede von "Meinungskorridoren", von "Gleichschaltung" usw. passt polemisch vielleicht auf Aspekte der BRD (und der DDR!) der 80er Jahre. Aber nie gab es mehr Möglichkeiten und mehr Foren als heute, alles jederzeit zu sagen, ohne negative Konsequenzen, außer: Kritik (3/6)
— Till Ra͙e͙t͙h͙er (@TillRaether) September 7, 2020
Unter jedem bisschen Kritik leiden die, die "cancel culture" beklagen und "Meinungsdiktatur". Weil sie es gewöhnt sind, dass sie jahrzehntelang die, wie es damals hieß, herrschende Meinung hatten. Weil sie es gewöhnt sind, dass ihnen nicht widersprochen wird. (4/6)
— Till Ra͙e͙t͙h͙er (@TillRaether) September 7, 2020
Raether nimmt seine Generation, aber auch seine Kollegen in die Pflicht.
Die Behauptung, es gäbe keine Diskussionen mehr, man könnte nicht mehr "alles sagen", ist eine der erfolgreichsten Erzählungen der Gegenwart. Sie wird verbreitet von Kolleg*innen, denen es selbst anscheinend zu unbequem ist, anderen Stimmen zuzuhören und Kritik zuzulassen. (5/6)
— Till Ra͙e͙t͙h͙er (@TillRaether) September 7, 2020
Viele von denen, die jetzt beklagen, dass Meinungen unterdrückt werden, sind wirklich alt genug, um sich an die 80er, 90er, womöglich sogar die 70er zu erinnern. Offenbar hat es ihnen gereicht, was es damals an Meinungsvielfalt gab, und jetzt wollen sie dahin zurück. (6/6)
— Till Ra͙e͙t͙h͙er (@TillRaether) September 7, 2020
Insbesondere viele gleichaltrige stimmten mit Raether überein.
Ich bin 55. Und die zeitlichen Abläufe bei mir fast parallel. Ich kann das nur voll und ganz unterschreiben
— 🇪🇺 🇪🇺🇪🇺 Frank Sarfeld (@sarfeld) September 7, 2020
🙋🏻♂️ 48
Empfinde ich genauso. Diese alte BRD Behaglichkeit war gemütlich und straight forward: die Amis sind unsere Freunde und passen auf. Der Russe ist der Böse. Ansonsten schaffe und Häusle baue. Wer Sicherheit/Plannarkeit mag, tat sich damals leichter.— fritzverrueckt (@fritzverrueckt) September 7, 2020
Großartiger Gedanke. Ich kann dem voll und ganz zustimmen. Nur verlangt diese wenige Konformität andere Fähigkeiten: Zuhören und Kompromisse
— Vincze-Aron Szabo (@SZB2BMarketing) September 7, 2020
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Vielen Dank an alle für die Posts.
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