Grenzen schließen, Lager eröffnen, alle zurückschicken. Aus „Wir schaffen das“ mit einer breiten, unterstützenden Öffentlichkeit, die an Bahnhöfen Flüchtlinge willkommen hieß, machte 1/5 des Landes ein „Wir teilen nichts“. Das muss nicht sein.
1. Userin @PatzillaSaar kündigt ihren Thread an.
2. Es gibt viele Initiativen, die es einem ermöglichen, Flüchtlinge tatsächlich kennenzulernen.
2016 haben mein Mann und ich beim Welcome Dinner mitgemacht. Das war ein Projekt, wo es darum ging Flüchtlinge und Einheimische für einen Abend zusammen an einen Tisch zu bringen. Dieser Abend hat das Leben von uns allen für immer verändert.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
3. Und Patzilla hat nicht nur ihren Horizon erweitert, sondern sogar Freunde gefunden.
Wir bekamen Besuch von Ahmed und Anas. Beide Anfang 20 und aus Syrien, erst wenige Wochen in Deutschland, weshalb wir uns damals noch auf englisch unterhalten mussten. Aber die Chemie stimmte sofort und sie kamen ab da 1x die Woche, um mit uns die neueste Folge GOT zu schauen.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
Wir bekamen Besuch von Ahmed und Anas. Beide Anfang 20 und aus Syrien, erst wenige Wochen in Deutschland, weshalb wir uns damals noch auf englisch unterhalten mussten. Aber die Chemie stimmte sofort und sie kamen ab da 1x die Woche, um mit uns die neueste Folge GOT zu schauen.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
4. Viel gelernt, worüber die wenigsten Zeitungen schreiben.
Ich habe durch sie viel über Flucht gelernt. Wusstet ihr z.B. dass die meisten Flüchtlinge mehrere Facebook Accounts haben, um sich in den jeweiligen Regionen Syriens als Anhänger von Assad, IS oder Rebellen auszugeben, um bei Kontrollen nicht erschossen zu werden?
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
5. Und jetzt kommt der Haken: Alle reden immer davon, „wie viel“ für Flüchtlinge ausgegeben wird. Aber in der Realität, auf den Einzelnen heruntergerechnet, ist das nicht genug, um wirklich Teil der deutschen Gesellschaft zu sein.
Meinen Mann und mich hat erschreckt, wie wenig unser Staat dafür tut, die beiden zu integrieren. Also haben wir das in die Hand genommen. Ahmed ist Informatiker und arbeitet seit zwei Jahren in der Firma meines Mannes. Anas haben wir über Beziehungen an der Uni untergebracht.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
Er konnte sein Studium mittlerweile beenden und lebt seit ein paar Wochen in Köln, da er da eine Stelle in der Personalabteilung einer großen Firma bekommen hat. Ich freu mich für ihn. Aber er fehlt mir. Beide sprechen jetzt perfekt Deutsch und bestreiten ihren Lebensunterhalt.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
Das war besonders für Ahmed wichtig, denn er hatte eine Verlobte in Syrien, die irgendwann nach Lybien floh und dort in einem Lager landete und ich mag gar nicht anfangen zu erzählen was sie dort erlebt hat, weil ich Angst habe dann nie wieder aufhören können zu weinen.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
6. Auch gibt es bereits eine Art Zwei-Klassen-Einwanderungssystem bei dem der deutsche Staat quasi systematisch arme Menschen in Not benachteiligt. Niemand soll denken, es ist so schön und einfach hier zu leben.
Und jetzt kommt der Witz: Während unsere Politik es verhindert, dass Familien wieder zusammen kommen und man Frauen und Kinder in diesen Lagern lässt, wo sie unter schlimmsten Bedingunen leben, haben wir Ahmeds Verlobte ganze legal im Flieger nach Deutschland bekommen.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
Und das nur, weil die beiden eben NICHT verheiratet waren. Alles was Ahmed brauchte war eine Wohnung, einen Job, der genug Geld abwirft, um zwei zu ernähren und jemanden, der sich bei Behörden nicht abwimmeln lässt und die Rechtslage kennt.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
Rawia landete im Februar in Frankfurt. Wart ihr mal dabei, wenn zwei Menschen, die dachten, sie würden sich niemals wieder lebend sehen, sich das erste Mal in den Armen halten?
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
7. Ende gut, alles gut. Das geht.
Ahmed und Rawia haben am Valentinstag geheiratet und ich hätte eine glücklichere Trauzeugin nicht sein können. pic.twitter.com/mVSfU4qqKB
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
8. Das geht insbesondere, wenn alle solidarisch zusammenhalten und füreinander da sind.
Und jetzt kommt das große Aber: nichts von alledem wäre passiert, wenn ich damals nicht diese Anzeige von dem Wellcome Dinner gesehen hätte. Ahmed und Anas wären heute vermutlich noch auf Sozialhilfe angewiesen, Rawia noch in einem Lager.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
Denn außer ein klein wenig Geld und Deutschkurse, bekommen diese Menschen keine Hilfe. Denn eigentlich sollen die sich auch nicht integrieren und schnellst möglich wieder weg, sobald in Syrien Frieden ist.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
Nur wenn man sich die politische Lage anschaut, wird das noch ewig dauern. Vielleicht sogar nie passieren. Und trotzdem setzt unser Land weiter darauf, diese Menschen auszugrenzen. Sogar in Lager zu stecken..
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
9. Es ist einfach, als einer von den eher wohlhabenden Konservativen, diese Realität weder zu sehen, noch zu verstehen.
Und ich schaue Nachrichten, höre den Populisten zu, wie sie über Menschen in Not reden und mein Herz wird schwer, weil es überall an Menschlichkeit fehlt. Und ich bin verzweifelt, in welche Richtung unser Land sich zur Zeit entwickelt.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
In unserem Land sollen Menschen in Lager gesteckt werden. Menschen wie Ahmed, Anas und Rawia. Und ich fühle mich ohnmächtig, unendlich traurig und ich bin unfassbar wütend.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
10. Aber deren Absolutismusanspruch hat am Ende nichts mit dem Ziel „friedliches, einheitliches Zusammenleben“ zu tun – welches letzendlich für jeden Bürger aber am Wichtigsten ist.
Aber am Wochenende kommt Ahmed mit Rawia und er mäht meinen Rasen und ich koche und dann essen wir zusammen und für einen kurzen Moment wird meine kleine Welt ein klein wenig menschlicher sein. In your face Gauland, Weidel, Seehofer, Söder und sonstige Arschlöcher!
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
11. Und so ist wer hetzt, generalisiert und geizig bleibt am Ende gegen sein eigenes Volk und eine gesunde Gesellschaft der Zukunft.
Ende
P.S. bitte überlasst den Menschen, die nichts als Hass in sich tragen, nicht unser Land. Macht euch stark für alle, die unsere Menschlichkeit brauchen.
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
12. Amen.
Ich hatte nach abschicken, Twitter direkt geschlossen, weil ich Angst hatte vor blöden Reaktionen. Und jetzt ist hier so viel Liebe und ich hab da was im Auge. Danke <3
— Patzilla (@PatzillaSaar) July 5, 2018
❤️
— Lilli Marlene (@MarleneHellene) July 5, 2018
♥️
— Kraftbiber (@Akira_86) July 6, 2018
Danke dafür,dass Du offensichtlich ohne groß nachzudenken zwei und ein Drittes Leben gerettet hast.
Ich glaube,so etwas hat sich Frau #Merkel vorgestellt,als sie sagte :”Wir schaffen das!”
— kerstin d – j🖖🏻 (@dujoxy) July 6, 2018
Weiß gar nicht wann ich zuletzt von einem Tweet so berührt wurde. Oder überhaupt jemals ?
Danke @PatzillaSaar ; danke für deine Worte und danke dass du uns die Realität nicht vergessen lässt.— call me gek (@GEK29) July 6, 2018
Danke an Marcus für die Einsendung.