In Sachen Gleichberechtigung hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vieles zum Positiven gewandelt, getan ist es damit aber noch lange nicht. Rollenklischees und damit verbundene Erwartungshaltungen ziehen sich noch immer durch alle Lebensbereiche. Besonders beim Thema Kindererziehung wird schnell in veraltete Muster verfallen. Die Mutter wird automatisch als Hauptverantwortliche angenommen, der Vater ist oft nur Beiwerk. Wie fest dieses Bild anscheinend noch in vielen Köpfen verankert ist, wurde durch folgendes Beispiel mal wieder eindrücklich gezeigt: Auf Twitter veröffentlichte @judithliere einen Auszug aus dem Newsletter, den sie kürzlich von Hipp bekommen hat. Darin wird ein äußerst antiquiertes und stereotypes Bild von der Rollenverteilung zwischen Eltern gezeichnet:
„meist fängt es schön an: Die Väter sind bei der Geburt dabei, wechseln in der ersten Zeit selbstverständlich die Windeln. (…) Doch irgendwann fallen viele Männer in den alten Trott zurück, arbeiten viel u haben wenig Zeit.“ Anm.: Sie vergessen also, dass es das Kind gibt? (2/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Schade! Vielleicht gelingt es Ihnen aber, die Begeisterung von Papa etwas länger zu erhalten.“ Anm.: Es ist also der Job der Mütter, die Väter für ihre Kinder zu begeistern. Aha. (3/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Die vielbeschworenen „neuen Väter“ sind wirklich ein Meilenstein in der Entwicklung. Nie sah man so viele Väter, die mit ihren Kleinen am Spielplatz (..) oder zum Einkaufen gehen. Sicher müssen Väter auch Einschnitte in Kauf nehmen.“ Anm.: Mütter nicht? (4/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Darum ist es wichtig, dass sich Väter Zeit nehmen für ihr Kind, auch wenn es nicht leicht ist, Beruf, Familie und eigene Interessen unter einen Hut zu bringen.“ Anm.: No shit Sherlock (5/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
Wer hätte das gedacht: Eltern haben einen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder!
„Lohnen tut es sich in jedem Fall: Wissenschaftler sagen, dass Väter einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern haben.“ Anm.: Es lohnt sich also! Haben Wissenschaftler herausgefunden! Top Argument, damit Väter sich kümmern. Anreize schaffen! (6/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Ein amerikanischer Kinderarzt hat festgestellt, dass Kinder, deren Väter sich an der Erziehung beteiligen, humorvoller werden. Väter können auch glänzen, wenn Kinder viel schreien.“ Anm.: Väter, die sich an der Erziehung beteiligen. Eine eigene Spezies. Und wieder:Anreize! (7/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Überlassen Sie Ihr Kind Ihrem Mann so oft es geht auch einmal alleine. An den Wochenenden könnte es einen ganzen Papa-Vormittag geben.“ Anm.: Meinen Mann mit dem 1,5 Jährigen einen ganzen Vormittag alleine lassen? Wie verrückt wäre das denn! (8/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Diesen Vormittag werden nicht nur Ihre beiden lieben genießen, sondern auch Sie haben dann einmal ein wenig Zeit zum Durchschnaufen.“ Anm.: Endlich mal Durchschnaufen, nach 1,5 Jahren. Wie gesagt, der Newsletter ist aufs Alter abgestimmt, es geht nicht um Neugeborene. (9/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Akzeptieren Sie es, wenn Ihr Mann viele Dinge anders regelt als Sie. Freiluftwickeln auf der Kühlerhaube? Warum nicht! Rockmusik statt Schlaflied? Okay, wenn’s funktioniert!“ Anm.: Männer. So sind sie halt. Wer kennt das nicht. (10/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Besonders viel Spaß machen auch Ausflüge außerhalb der Wohnung, wenn Papa dabei ist. Vielleicht kann der Papa das Kind auch am späten Nachmittag zu einem Eltern-Kind-Turnen begleiten oder auch einmal ins Schwimmbad gehen.“ Anm.: Whaaat? Jetzt wirds aber wild. (11/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Väter sind da meist viel weniger ängstlich und das überträgt sich auch auf die Kinder. Sie werden staunen, was Ihr Kind mit Papa für ein kleiner Draufgänger ist!“ Anm.: Papa, der Held. Männer unter sich, reines Abenteuer. (12/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Väter nehmen ihre Kinder manchmal auch zu Ausflügen mit, die vielleicht nicht unbedingt kindgerecht wirken. Aber es macht ihnen Spaß, Papa in den Biergarten zu begleiten oder mit dabei zu sein, wenn der Vater im Fitness-Studio trainiert.“ Anm.: Prost! (13/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Versuchen Sie, weniger ängstlich zu sein. Väter spielen wilder mit dem Kind, sie lassen es eher zu, dass das Kind stürmisch schaukelt u die ganz große Rutsche auf dem Spielplatz ausprobiert.“ Anm.: Mütter: Nervöse Ziegen, die dem Kind nix zutrauen. Sind sicher die Hormone (14/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
„Denn es gibt Spiele, die beherrscht nun einmal keiner so gut wie er. Väter fördern beim Toben und Tollen den Durchhaltewillen, das Selbstbewusstsein und die Neugier des Kindes.“ Anm.: Nur Väter können, was Väter können. Die Mutter backt derweil ja Kuchen oder so. (15/x)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
Und das ist der Abschnitt für Alleinerziehende, aber da fehlen mir echt die Worte. (16/x) pic.twitter.com/o6HTTpnXS1
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
So. Fertig. Ich poste das auch, um zu zeigen, wie krass Väter in der Babyindustriewelt ausgegrenzt und kleingehalten werden. Ich finde das ein großes Thema. Das ist kein Mama-Newsletter, sondern der „Hipp Mein Baby-Club“. Da sollen Väter offenbar nicht Mitglied sein. (17/17)
— Judith Liere (@judithliere) September 1, 2021
Und in den Kommentaren zeigt sich schnell, dass dieses Rollenbild zwar nicht mehr zeitgemäß, aber trotzdem noch sehr aktuell ist.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich beim Babyschwimmen stets ungläubig gefragt wurde, warum ich denn immer käme und ob ich nicht arbeiten müsste. Oder das erste Jahr, in dem ich Junior eigentlich überall dabei hatte, gefragt wurde, ob er denn keine Mutter habe.
— Chris Laut (@Chris_Laut) September 1, 2021
Besonders toll scheint das niemand zu finden.
Bin seit 16.6. Papa. Tatsächlich habe ich in der gesamten Zeit, seit Bekanntwerden der Schwangerschaft, das Gefühl gehabt nicht dazu zu gehören. Keine Broschüren für mich, keine Hinweise, auch jetzt spricht und kümmert sich alles um die Mutter, die die Infos dann
— Maik Kretschmar (@kretschmar_mk) September 1, 2021
glücklicherweise an mich weitergibt. Corona tat durch die Beschränkungen natürlich sein Übriges, da ich nicht überall mit hin durfte, wo ich es gern gewollt hätte. Insgesamt teile ich deinen Eindruck zu 100%. Väter sind „da“, eine Art Bonus, wenn sie sich ums Kind kümmern
— Maik Kretschmar (@kretschmar_mk) September 1, 2021
Und bei manchen löst das sehr eigene Rollenbild direkt eine Identitätskrise aus.
Mein Mann ist sich jetzt nicht sicher ob er nach der Beschreibung ein „Vater“ ist. Er geht weder in den Biergarten, noch ins Fitnessstudio, hört keine Rockmusik und wickelt nicht auf der Motorhaube. Vielleicht ist er doch die Mutter?
— Claudi ohne Audi (@ClaudiaFrster8) September 1, 2021
Vor allem aber: Entsetzen.
Danke für den erschreckenden Einblick.
Ich frage mich bei sowas auch immer was das für Menschen sind, die im Jahre 2021 noch solche Texte schreiben/ lektorieren / freigeben und dabei nicht(!) ins Grübeln über ihr eigenen Tun kommen! #WTF #Eltern
— heavenbuttandyarn (@georgloesel) September 1, 2021
Ich finde es so schlimm, weil es so eine antiquierte Kacke ist und es trotzdem immer noch die Realität so vieler Eltern (zumindest in meinem Umfeld) widerspiegelt.
— ⭐️Knuffelcontact⭐️ (@BeiAnja) September 1, 2021
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Vielen Dank an alle für die Posts.
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